Tilopa

Vergänglich ist diese Welt -
Substanzlos wie Phänomene und Träume
Tilopa zu Naropa

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Tilopas Gesang von Mahamudra

 

Mahamudra ist jenseits aller Worte und Symbole -

Aber dir, Naropa, aufrichtig und treu, sei dennoch so viel gesagt:

Die Leere braucht keine Stützen,

Mahamudra ruht im Nichts,

Ohne jede Anstrengung,

Einfach nur, indem du gelöst und natürlich bleibst,

Kannst du das Joch zerbrechen -

Und Befreiung erlangen.

 

Wenn du mit wachen Augen nach Nichts suchst

Und dann mit deinem eigenen Geist den eigenen Geist betrachtest,

Verschwinden alle Unterscheidungen,

Und du gelangst zur Buddhaschaft.


Die Wolken ziehen durch den Himmel,

Sie haben weder Wurzeln noch Heimat;

genau so auch die Gedanken, die durch deinen Geist ziehen.

Sobald der Geist sich selber erkannt hat,

Hört jede Unterscheidung auf.


Formen und Farben bilden sich im Raum,

Aber weder Schwarz noch Weiss

Hinterlassen in ihm Spuren.

Aus diesem Geist des Geistes, dem Selbst, entstehen alle Dinge.

Weder Tugend noch Laster beflecken ihn.

Die Finsternis von Jahrtausenden

Kann nichts gegen die glühende Sonne ausrichten;

Die langen Zeitalter des Samsara

Können das helle Licht des Geistes nicht verbergen.

 

Obwohl wir Worte brauchen, um die Leere zu erklären,

Ist doch die Leere selbst nicht sagbar.

Wir sagen zwar: "Der Geist, das reine Bewusstsein ist ein helles Licht",

Doch lässt es sich mit Worten und Symbolen nicht erfassen,

Bewusstsein ist in seinem Wesen leer,

Und doch umfasst und hält es alle Dinge.

Tu nichts mit dem Körper - entspanne dich nur,

Verschliesse fest den Mund und sei still.

Entleere deinen Geist und denk an nichts.

Lass deinen Körper leicht wie einen hohlen Bambus ruhen.

Kein Geben und Nehmen: lass ruhen deinen Geist,

Mahamudra ist wie ein Geist, der sich an nichts klammert.

Wenn du dich darin übst, wirst du bald von der Buddhaschaft erreicht.

 

Kein üben von Mantras und Paramitas,

Kein Unterricht in Sutras und Geboten,

Kein Wissen aus Schulen und Schriften,

Führt zur Erkenntnis der eingeborenen Wahrheit.

Denn wenn der Geist nach etwas strebt,

Erfüllt von Sehnsucht nach dem Ziel,

Verhüllt er damit nur das Licht.


Wer sich an Tantrische Gebote hält und dennoch urteilt,

Begeht Verrat am Geist des Samaya.

Gib alles Tun und Wünschen auf,

Lass die Gedanken steigen und verebbenwie sie wollen,

Wie die Wellen des Meeres.

Wer die Vergänglichkeit niemals vergisst,

Noch das Prinzip der Urteilslosigkeit,

Der richtet sich nach Tantrischem Gebot.

 

Wer alles Sehnen und alle Begierden aufgibt,

Sich nicht an dieses oder jenes heftet,

Erkennt den wahren Sinn der Schriften.

Im Mahamudra verbrennen alle deine Sünden;

Im Mahamudra wirst du aus dem Gefängnis der Welt entlassen.

Es ist die hellste Flamme des Dharma.

Die das nicht glauben, sind Narren, die sich in Elend und Sorgen ewig wälzen.

 

Verlass dich, um zur Freiheit zu gelangen, auf die Hilfe eines Guru.

Wenn dein Geist seinen Segen empfängt,ist die Befreiung nah.

Alle Dinge dieser Welt sind ohne Bedeutung, nichts anderes als Keime neuer Leiden.

Kleine Lehren predigen Taten - Folge dieser Lehre der Grösse.

 

Die königliche Sicht geht über alle Dualität hinaus.

Die königliche Methode überwindet alle Ablenkungen,

Der Weg der Nicht - Methode ist der Weg aller Buddhas,

Wer diesen Pfad betritt, wird von der Buddhaschaft erreicht.

 

Vergänglich ist diese Welt -

Substanzlos wie Phänomene und Träume.

Entsage Ihr und verlasse die Deinen.

Zerschneide die Bande von Lust und Hass

Und meditiere an einsamem Ort.

Wenn du ohne Mühe gelöst und natürlich bleiben kannst,

Wirst du bald von Mahamudra erreicht und du trägst den "Nicht-Sieg" davon.

 

Schlag einem Baum die Wurzeln ab, und seine Blätter welken;

Schlag deinem Geist die Wurzeln ab, und das Rad der Welt zerfällt.

Jedes beliebige Licht vertreibt in einem Augenblick die Dunkelheit ganzer Zeitalter.

Das helle Licht des Geistes verbrennt mit einem Blitz den Schleier der Unwissenheit.

 

Wer sich an den Geist klammert,

Erkennt die Wahrheit nicht, die jenseits davon ist.

Wer sich bemüht das Dharma einzuüben,

Erkennt die Wahrheit nicht, die jenseits aller Übung ist.

Wer wissen will, was jenseits von Geist und Übung ist

Durchhaut mit einem Schlag die Wurzeln seines Geistes,

Und schaut mit nacktem Blick.

So wirst du frei von aller Unterscheidung - und ruhst in dir.

 

Ohne Geben und Nehmen, verbleibe natürlich

denn Mahamudra liegt jenseits von Hingabe und Weigerung.

Weil alaya (das reine Bewusstsein) nicht geboren wird,

Kann niemand es behindern oder beflecken;

Wer im ungeborenen Reich verweilt,

Dem löst sich aller Schein ins Dharma auf,

Und Eigenwille und Stolz verschwinden im Nichts.

 

Die höchste Einsicht Verlässt die Welt von Diesem und Jenem.

Das höchste Handeln vereinigt grosse Schöpferkraft mit Ungebundenheit.

Die höchste Vollendung erkennt das "so Sein" ohne jede Hoffnung.

 

Im Anfang spürt der Yogi, wie sein Geist abstürzt wie ein Wasserfall;

Dann, auf halbem Wege, strömt er dahin,

Langsam und sacht wie der Ganges.

Am Ende ist er ein grosses, unendliches Meer,

Wo das Licht von Sohn und Mutter in eins verschmelzen.

 


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